2019
Bedrohte Vielfalt. Indigene Sprachen, Interkulturalität und das Lebenskonzept Sumak Kawsay in Ecuador
25.11.2019

Magisterium Lehramt Spanisch-Französisch (Universität Wien, 1994), Doktorat mit dem Schwerpunkt Sprachwissenschaft (Universität Wien, 1999).
Lebt und arbeitet seit 1996 in Südamerika, v.a. in Projekten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (GIZ). Seit 2008 in Forschung und Lehre an der überregionalen postgraduierten Universität FLACSO in Ecuador tätig. Aufbau und Leitung einer interdisziplinären Forschungsgruppe zum Thema Interkulturalität.
Forschungsschwerpunkte: Interkulturelle zweisprachige Bildung; nachhaltige Entwicklung, Interkulturalität und Zusammenarbeit; interkulturelle Kommunikation; Dekanin der Fakultät "Entwicklung, Umwelt und Territorium"; akademische Vizerrektorin der Universität. Gastdozentin an verschiedenen Universitäten in Ecuador (Cuenca), Bolivien (La Paz), Deutschland (Erlangen) und Österreich (Wien und Graz).
Bedrohte Vielfalt, Indigene Sprachen, Interkulturalität und das Lebenskonzept Sumak Kawsay in Ecuador
Dr. Anita Krainer
FLACSO Ecuador - Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales
Lateinamerikanische Gesellschaften und Sprachen indigener Gruppen sind geprägt vom historischen Erbe des Kolonialismus und dessen Folgen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit, Diskriminierung und Rassismus. In den 1990er Jahren wurde durch massive Aufstände der indigenen Bewegungen ein Prozess der Forderungen nach verstärkter Berücksichtigung der Rechte, Interessen und Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppen eingeleitet, der bis heute andauert und auf politischer Ebene einige bedeutende Erfolge erzielt hat.
Besondere Errungenschaften spiegeln sich in den Verfassungsänderungen in Bolivien (2009) und Ecuador (2008) wider, die sich offiziell als „interkulturelle Staaten“ bezeichnen. Ein weiterer Erfolg ist die Aufnahme des alternativen Entwicklungskonzepts Sumak kawsay (kichwa/quechua) in die Verfassungen. Die Konflikte um die Übersetzung, Bedeutung und Interpretation dieses Konzeptes äußern sich bereits in der Fehlübertragung ins Spanische als Buen Vivir [das gute Leben], die wesentliche Elemente indigener Kosmovision außer Acht lässt. Die Spannungen zwischen der Interpretation des Sumak kawsay als Staatsphilosophie und jener der indigenen Gemein-schaften setzen sich bis in die Gegenwart fort.
Diese sich in Entwicklung befindenden Prinzipien und Konzepte des Buen Vivir und der Interkulturalität stellen stete Herausforderungen dar, um den begonnenen Prozess der Bildung von sozial ausgeglicheneren und interkulturelleren Gesellschaften erfolgreich und nachhaltig umzusetzen.
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Körperlich-räumliche Aspekte gedolmetschter Interaktion im Gericht
14.01.2019

Dr.in Tuija Kinnunen (*1969), Studium der Richtungen Übersetzen Deutsch-Finnisch, Internationale Politik und Kunstgeschichte an der Universität Tampere, Abschluss 1997; Arbeit als Übersetzungskoordinatorin (1997 – 1998); Promotion im Bereich der Translationswissenschaft an der Universität Tampere (2006); seit 2013 Privatdozentin für Translationswissenschaft an der Universität Helsinki. Universitätslektorin für deutsch-finnische Translation an der Universität Helsinki seit 2012. Veröffentlichungen zu Fragen des Übersetzens und Dolmetschens im Bereich der Rechtskommunikation.
Körperlich-räumliche Aspekte gedolmetschter Interaktion im Gericht
Körperlich-räumliche Aspekte gedolmetschter Interaktion im Gericht
Der Translationsdiskurs wurde in Finnland in den letzten Jahren besonders durch knapper werdende öffentliche Gelder geprägt und führte zu einem harten Wettbewerb unter nicht-staatlichen Agenturen. Gleichzeitig wird unter diesen Bedingungen der Einsatz von Video- und Telefondolmetschungen forciert, stellen diese doch eine kostengünstigere Variante des Dolmetschens dar. Darüber hinaus können Dolmetscher ihre Arbeit ortsungebunden und effizienter durchführen.
In diesem Kontext sind zunächst einige grundlegende physische Faktoren zu erörtern: welche Bedeutung hat die physische Anwesenheit einer/eines Dolmetscherin/s im Gerichtssaal für anderssprachige Personen? Welche Spannungsverhältnisse entstehen, wenn das Opfer nicht seine Muttersprache verwenden kann und sich mit dem/der Dolmetscher/in durch eine Lingua Franca verständigen muss? Wie übertragen sich diese Spannungsverhältnisse auf der körperlich-räumlichen Dimension?"
Im Vortrag werden Beispiele analysiert, die den Einsatz von gestisch gebrauchten deiktischen Ausdrücken zum Gegenstand haben und körperliche Aspekte des Dolmetschens bei der gegenseitigen audiovisuellen Wahrnehmung in der Kommunikation hervorheben. Dafür wird auf die Untersuchung eines strafrechtlichen Verfahrens zurückgegriffen, bei dem aus dem Finnischen ins Französische gedolmetscht wurde.
Anhand der gezeigten Beispiele sollen neue Aspekte der physischen Präsenz von Dolmetschern/innen im Gerichtsverfahren erörtert werden. Ziel des Vortrags ist zu beweisen, wie die physische Anwesenheit eines/r Dolmetschers/in auf Wesen und Ausprägung der Kommunikation einwirkt. Räumliche und kommunikative Aspekte stehen somit in einem wechselseitigen Spannungsverhältnis.
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Colonization and Conquest in Canada: Various Roles Played by Translation and Interpretation
21.03.2019
The earliest recorded contact between Canada’s Aboriginal peoples and European explorers is marked by tension, if not outright conflict, often resulting from miscommunication. For example, it is generally assumed that the St. Lawrence Iroquoian word kanata, meaning “village,” “settlement,” “land,” “cluster of dwellings” or “collection of huts,” depending on the source, was Eurocentrically understood by French colonizers to be the name of their country. While this example of interlinguistic miscommunication did not result in violence, other interlinguistic and intercultural exchanges did. This talk will trace key points of intercultural and interlinguistic tension and conflict from the arrival of French colonizers in the 16th century to 21st century post-residential schools, and the varied roles played by translation and interpretation – or the refusal to translate. The examples will be drawn from encounters not only between French- and English-speaking settlers and Aboriginal peoples, but also between Canada’s English and French communities.
Denise Merkle is professor of translation at the Université de Moncton, Canada. She publishes broadly on censorship, minority languages and translation, using a psycho-sociological and historical approach.
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INTERACT. A Cross-Disciplinary, Cross-Sectoral International Network in Crisis Translation
28.03.2019

INTERACT is a H2020 Marie Skłodowska-Curie funded project broadly investigating the topic of translation in crisis, emergency or disaster settings. This presentation will give an overview of the Network, its cross-disciplinary and cross-sectoral composition, and its research focus. The project involves collaborators from academia, industry and the not-for-profit sector, all of whom are interested in the role of translation in providing timely and accurate crisis information. Within academia, it includes collaborators from Translation Studies, Disaster Studies, Refugee Integration, Emergency Policy and Management as well as from the fields of Machine Translation and Readability/Comprehensibility research. The talk will present an overview of the topics being researched, i.e. what do national and international emergency response policies say about the provision of translation and interpreting in crises? Is simplification of content a viable option for those with limited proficiency in the dominant emergency response language? What role can machine translation play in low resource emergency linguistic settings? Can and should citizens be trained as ad hoc translators for crisis response? All of these questions create potential conflict in terms of human and financial resources, professional responsibilities, and ethical behaviour, which the talk will also highlight.
Sharon O’Brien is Associate Professor in Translation Studies at the School of Applied Language and Intercultural Studies with a primary focus on translation technology. She is co-ordinator of the INTERACT project.
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Die Sprache des Hegemons. Migration und die Gewalt der Übersetzung
29.04.2019

Jede Begegnung mit dem Gesetz erfordert die Übersetzung von alltagsweltlichen Erfahrungen und Artikulationen in die „Muttersprache des Staates (…), eine Art universalistisches Extrakt der Sprache der Gemeinschaft“ (Buden 2013). Diese Übersetzungsleistung wird den Individuen abverlangt, denn der Staat als Machthaber muss sich nicht selbst übersetzen – und diese Form der Übersetzung tut den Erfahrungen und Artikulationen der Individuen stets Gewalt an.
Migrant_innen wird ein Vielfaches dieser Übersetzungsleistung abverlangt. Nicht nur scheitern sie oft bereits an den (teils unvermeidlichen, teils auf Fahrlässigkeit beruhenden) Unzulänglichkeiten der sprachlichen Übersetzung, sie müssen zusätzlich Erfahrungen übersetzen, die die Hüter_innen des Gesetzes nicht teilen und kaum nachvollziehen können. Und sie erbringen diese Übersetzungsleistung aus einer Position der Entrechtung, sie sind keine Bürger_innen des Staates, in dem sie sich befinden, verfügen über keinen gesicherten Status, ihre Ansprüche stehen stets in Frage, während ihnen eine erhebliche Bringschuld auferlegt wird.
Der Vortrag behandelt diese Situation der erzwungenen und gewaltförmigen Übersetzung auf theoretischer Ebene sowie anhand empirischer Fallbeispiele aus Asylverfahren.
Monika Mokre (*,1963), PDin Drin phil. Seit 2009 Senior Researcher am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Lehrbeauftragte u.a. an der Universität Graz, der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, der Webster University Vienna und der Kunstuniversität Beograd. Studierte Politikwissenschaft sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. 2009 Habilitation für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Veröffentlichungen zu Asyl und Migration, Kulturpolitik, Demokratie und politischer Öffentlichkeit, Gender Studies.
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The interpreting profession. An occupation full of contrasts and conflicts
16.05.2019

This lecture will focus on the interpreter’s professional status and the way it has developed over the last few decades. Recent publications focusing exclusively on status (JoSTrans special issue “The translation profession” 2016, and Hermes, forthcoming issue on status, 2018) testify to the urgent need to address the challenges the profession is facing, both in conference and in community settings. The spread of English as a lingua franca, the pervasiveness of technology and an unorganised market are just some of the hurdles conference interpreters – whether alone or organised in professional networks – are called upon to overcome. Moreover, the increasing competition and the dumping of fees, the lack of state regulation for community interpreters and men and women’s different perception of status contribute to putting the profession and the interpreters’ status under pressure. We are witnessing a turning point in the history of the profession, in which professionals are called upon to decide whether they wish to maintain their status quo or if they are willing to adapt to the swift changes of the globalised market. The lecture will be divided into three parts: 1) the concepts of “status” and “profession” will be analysed, with a special focus on how they are enacted in interpreting; 2) the results of several surveys – including Gentile’s world survey on status (2016) – will be illustrated; 3) the implications and the challenges for the future of the profession will be discussed, together with some examples of best practices.
Paola Gentile holds an MA in Conference Interpreting and a PhD in Translation and Interpreting Studies from the University of Trieste. Her PhD thesis The Interpreter’s Professional Status. A Sociological Investigation into the Interpreting Profession investigated interpreters’ self-perception of their status with a survey that obtained 1693 responses worldwide. She is currently a postdoctoral researcher at KU Leuven with a project focusing on the reception and image of contemporary Dutch and Flemish literature translated into Italian.
This contribution will cast a glance at the contrasts of the interpreting profession in the 21st century. Recent research (Gentile 2016; Valero-Garcés & Tipton 2017; Salaets & Balogh 2018) has revealed that the profession is being faced with several challenges both in conference and in community setting.