Abstracts
Ein (zu) weites Feld? Der Versuch einer alternativen Typologie des Translatorin-Seins und des Translatorischen Tuns
Nadja Grbić
Betrachtet man die Konzeption des Translators bzw. der Translatorin im Laufe der Entwicklung der Translationswissenschaft, so lassen sich drei Dimensionen ausmachen: 1) Translatorin-Sein, d.h. TranslatorInnen und ihre professionelle(n) Identität(en), 2) Translatorisches Tun, d.h. die sozialen oder kognitiven Handlungen, die sie vollziehen, und 3) Translatorisches Terrain, d.h. die sozialen Strukturen bzw. Handlungsräume, in denen sie (inter)agieren. Im Fokus standen dabei i.d.R. im Beruf stehende oder künftige, s.g. professionelle TranslatorInnen, während das weite Feld der nicht-beruflichen, nicht-professionellen Translation aus dem Objektbereich ausgeschlossen wurde (vgl. Grbić/Kujamäki 2019). Diese Grenzziehungsarbeit manifestierte sich auch sprachlich. So findet man auf der einen Seite der Grenze bspw. „highly qualified practicioner[s]“ (Viaggio 1994: 98), „trained, experienced interpreters“ (Perez/Wilson 2007: 91) oder „fully qualified interpreter[s]“ (van den Bogaerde 2007: 284). Auf die andere Seite verwiesen werden etwa „intuitive translator[s] “ (Viaggio 1992: 309), „would-be interpreter[s]“ (ibid.: 311), „untrained and self-taught translators“ (Gouadec 2007: 257) oder „creative non-translator translators“ (Katan 2014).
Auch wenn s.g. „non-professionals“ heute nicht mehr nur zum Zwecke der Gegenüberstellung mit Profis Eingang in die Translationswissenschaft finden, so ändert dies wenig an der Wahrnehmung zweier klar voneinander demarkierten Kategorien. Dies mag in manchen Kontexten nützlich und sinnvoll sein, simplifiziert aber häufig und schreibt nicht zuletzt eine hierarchische Ordnung fort. Denn „profession“ hat nicht nur eine deskriptive, sondern auch eine wertende Bedeutung. Es ist ein kollektives Symbol und ein gesellschaftlicher Ehrentitel, der laut Becker (1962/1977) als analytisches Konzept mit Bedacht zu verwenden ist. In meinem Vortrag konzentriere ich mich auf die Dimensionen des Translatorin-Seins und des Translatorischen Tuns und versuche die vielfältigen Spielarten der Translation einer alternativen, flexiblen Kategorisierung zu unterziehen. Sie basiert auf der empirischen Erkenntnis, dass eine binäre Differenzierung in professionelles und nicht-professionelles Übersetzen bzw. Dolmetschen die Komplexität der empirischen Praxis nicht immer ausreichend zu fassen vermag (vgl. Grbić 2017).
Bibliographie
Becker, Howard S. (1962/1977) „The nature of a profession“, in: Becker, Howard S., Sociological Work: Method and Substance. New Brunswick, N.J.: Transaction Books, 87–103.
Gouadec, Daniel (2007) Translation as a Profession. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins.
Grbić, Nadja (2017) Fürsorgerinnen – Scharlatane – Profis. Die Geschichte des Gebärdensprachdolmetschens in Österreich und die Konstruktion einer professionellen Welt. Universität Graz: Habilitationsschrift.
Grbić, Nadja/Kujamäki, Pekka (2019) „Professional vs. non-professional? How boundary work shapes research agendas in translation and interpreting studies“, in: Dam, Helle V./Zethsen, Karen Korning/Brøgger, Matilde Nisbeth (eds.) Moving Boundaries in Translation Studies.. London/New York: Routledge, 113-131.
Katan, David (2014) „Introduction: Uncertainty in the translation professions: Time to transcreate“, in: Cultus 7 (Transcreation and the Professions), 10–19, www.cultusjournal.com files/Archives/ introduction_katan_2_cover_p.pdf [30. Dezember 2016].
Perez, Isabelle A./Wilson, Christine W.L. (2007) „Interpreter-mediated police interviews: Working as a professional team“, in: Wadensjö, Cecilia/Englund Dimitrova, Birgitta/Nilsson, Anna-Lena (eds.) The Critical Link 4: Professionalisation of Interpreting in the Community. Selected Papers from the 4th International Conference on Interpreting in Legal, Health and Social Service Settings, Stockholm, Sweden, 20–23 May 2004. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins, 79–93.
Van den Bogaerde, Beppie (2007) „Interpreter training from scratch“, in: Wadensjö, Cecilia/Englund Dimitrova, Birgitta/Nilsson, Anna-Lena (eds.) The Critical Link 4: Professionalisation of Interpreting in the Community. Selected Papers from the 4th International Conference on Interpreting in Legal, Health and Social Service Settings, Stockholm, Sweden, 20–23 May 2004. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins, 283–295.
Viaggio, Sergio (1992) „Translators and interpreters. Professionals or shoemakers?“, in: Dollerup, Cay/ Loddegaard, Anne (eds.) Teaching Translation and Interpreting: Training, Talent and Experience: Papers from the First Language International Conference. Elsinore, Denmark, 31 May – 2 June 1991. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins, 307–312.
Viaggio, Sergio (1994) „Theory and professional development: Or admonishing translators to be good“, in: Dollerup, Cay/Lindegaard, Annette (eds.) Teaching Translation and Interpreting 2: Insights, Aims, Visions. Papers from the Second Language International Conference. Elsinore, Denmark, 4 – 6 June 1993. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins, 97–105.
Nadja Grbić ist außerordentliche Universitätsprofessorin für Translationswissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz (Habilitation 2017 zur Geschichte und Konstruktion des Berufs von GebärdensprachdolmetscherInnen in Österreich). Sie leitete mehrere Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich Gebärdensprachdolmetschen und Deaf Studies. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Translation und Minderheiten, Translation als Tätigkeit und Beruf, Translationsgeschichte und Wissenschaftsforschung. Sie ist Associate editor der Encyclopedia of Interpreting Studies (Routledge, 2015). Sie ist Übersetzerin verschiedener literarischer und philosophischer Werke aus dem Bosnischen, Kroatischen und Serbischen.
Kontakt: nadja.grbic@uni-graz.at
Das Motiv des Translators als strukturierende Größe einer Translattypologie
Julia Richter
Um zu verstehen, welchen neuen Herausforderungen sich die translatorische Praxis der heutigen Zeit und der Zukunft zu stellen hat, ist es von großem Interesse, translatorische Phänomene der Vergangenheit einordnen zu können und dem Wesen translatorischer Prozesse in ihrer Komplexität näher zu kommen.
Der Begriff der Translation in seinem heutigen Zustand ist für eine umfassende Sicht auf Translationsphänomene in der Vergangenheit und in der Zukunft zu eng gefasst und damit ziele ich nicht auf eine Erweiterung des Begriffes im Sinne der Kulturellen Translation. So wie er heute in der Translationswissenschaft für interlinguale Kommunikationsphänomene verwendet wird, verstellt er den Blick auf eine Möglichkeit, Translate und Translationsprozesse in ihrer Gesamtheit zu erfassen und zu typologisieren, weil er per definitionem die Motive einschränkt, aus denen heraus Translation im Imaginären der Gesellschaft aber auch im Imaginären der Translationswissenschaftler geschehen kann (und darf).
Translationsgeschichte eignet sich im besonderen Maße dafür, aufzuzeigen, dass Translation nicht nur aus einem (altruistischen) Hilfe-Motiv heraus zur Anwendung kommt. Sie zeigt deutlich, dass Translationen Grenzziehung intendieren oder aus ökonomischen, egoistischen, politischen und anderen Interessen heraus entstehen. Die Motive sind vielfältig und mit Motiv meine ich mit Weber einen „Sinnzusammenhang, welcher dem Handelnden selbst oder dem Beobachtenden als sinnhafter »Grund« eines Verhaltens erscheint.“ (WEBER 1922: 5).
Translation dient, wie alles Handeln, der Akkumulation von Kapital – jede Kapitalsorte kann durch Translation akkumuliert werden. Übersetzungen unterscheiden sich je nachdem, welche Kapitalsorte die Entscheidungsträger innerhalb des Translationsprozesses akkumulieren möchten. Anhand dieser Kriterien ist transkulturell und diachron eine Typologie der Übersetzungen möglich.
Im Vortrag möchte ich zeigen, wie die Betrachtung der Motive, die vor und im Translationsprozess die Handelnden leiten, den Blick auf Translate – sowohl in der Translationsgeschichte als auch in der Gegenwart – erweitern kann und welche Typologie mir dadurch möglich erscheint.
Julia Richter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien. Sie studierte Romanistik, Geschichte und Diplomübersetzen an der Universität Leipzig und promovierte 2018 zu Translationshistoriographie an der Universität Wien. Die Hauptfelder ihrer Forschung umfassen Translationsgeschichte und Translationshistoriographie, Wissen(schaft)sgeschichte, Transferforschung, Translation und Exil.
Kontakt: julia.richter@univie.ac.at
Translation, Inklusion und Exklusion. Zur translationssoziologischen Relevanz einer gesellschaftstheoretischen Unterscheidung
Tomasz Rozmyslowicz
Zweifelsohne erfüllt Translation in gegenwärtigen, von Migration geprägten Gesellschaften eine zentrale Funktion. Doch wie genau lässt sie sich bestimmen? Konsultiert man translationswissenschaftliche Literatur, so erfährt man u. a., dass Translation eine notwendige Voraussetzung für das Fortbestehen demokratischer Ordnungen und die Wahrung von Menschen- sowie Grundrechten ist: Sie ermöglicht in zunehmend multilingualen Gesellschaften politische Partizipation und stellt die Umsetzung des normativen Prinzips der ‚non-discrimination‘ sicher – etwa indem sie durch die Beseitigung von ‚Sprachbarrieren‘ Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (z.B. Gerichte, Krankenhäuser, Verwaltungen, aber etwa auch Theater) gewährleistet oder auch die ‚Identität‘ von sprachlichen Minderheiten schützt (vgl. Meylaerts 2011; Mowbray 2017; Stegmann 2014). Die gesellschaftliche Leistung der Translation wird also (implizit oder explizit) darin gesehen, individuelle und kollektive Inklusion herzustellen und Exklusion zu vermeiden. Aus dieser Translationsfunktion leitet sich dann auch das translationswissenschaftliche Ziel ab, durch die Erarbeitung von Kriterien einer sogenannten ‚translational justice‘ zur Etablierung einer gerechten Inklusionsordnung beizutragen (Meylaerts 2011).
Vor dem Hintergrund dieser deskriptiv und normativ weitreichenden Geltungsansprüche muss allerdings erstaunen, wie sehr die translationswissenschaftliche Vorstellung von ‚Inklusion‘ und ‚Exklusion‘ noch dem alltagsweltlichen und sozialpolitischen Gebrauch dieser Ausdrücke verhaftet ist. Das Anliegen dieses Vortrags besteht daher darin, diesen Gebrauch zu hinterfragen und einer grundlegenden Reflexion zu unterziehen. Dazu wird auf gesellschaftstheoretische Überlegungen seitens der Soziologie zurückgegriffen, in denen die Unterscheidung zwischen Inklusion und Exklusion einen systematischen Platz einnimmt (Stichweh 2005). Ziel dieses Vortrags besteht darin, das analytische Potenzial dieser Unterscheidung mit Blick auf eine sich etablierende Soziologie der Translation zu erörtern (vgl. Wolf/Fukari 2007).
Bibliografie
Meylaerts, Reine (2011): „Translational Justice in a Multilingual World: An Overview of Translational Regimes”, in: Meta 56: 743–757.
Mowbray, Jacquelin (2017): „Translation as marginalisation? International Law, translation and the status of linguistic minorities“, in: González Núñez, Gabriel/Meylaerts, Reine (Hg.): Translation and Public Policy. Interdisciplinary Perspectives and Case Studies. New York/London: Routledge, 32-57.
Stegmann, Linda (2014): „Inklusives Theater und die Rolle der Translation“, in: trans-kom 7:1, 64-98.
Stichweh, Rudolf (2005): “Inklusion und Exklusion”, in: ders.: Inklusion und Exklusion. Studien zur Gesellschaftstheorie. Bielefeld: Transcript, 219-236.
Wolf, Michaela/Fukari, Alexandra (Hg.) (2007): Constructing a Sociology of Translation. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins.
Dr. Tomasz Rozmyslowicz ist zurzeit Postdoc am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien. Er hat am Fachbereich für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Universität Mainz Übersetzen, Dolmetschen und Interkulturelle Kommunikation studiert. In seiner Dissertation hat er sich mit theoretischen Herausforderungen beschäftigt, die der Translationswissenschaft durch die Maschinelle Übersetzung erwachsen. Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen allgemeine Translationstheorie, Soziologie und Historiographie der Translation, Problemgeschichte der Translationswissenschaft.
Kontakt: tomasz.rozmyslowicz@univie.ac.at
Die Erforschung von Neologismen im Kontext der Translationswissenschaft
Sara Elisabeth Aufinger
Neologismen sind ein linguistisches Phänomen, das das Lexikon aller Sprachen und somit auch die Translation als Fachbereich betrifft. Eröffnen neue Wörter den TranslatorInnen ungeahnte Möglichkeiten, indem sie den Wortschatz bereichern, lexikalische Lücken schließen und der Sprache zu neuer „Vitalität“ verhelfen? Oder werden sie zu einer Beschwernis, aufgrund der relativen Unbekanntheit innerhalb der Sprachgemeinschaft und der möglichen Konkurrenz zu etablierten Synonymen? Wie verhalten sich TranslatorInnen nun bei der Arbeit mit Neologismen?
Um diese Fragen zu untersuchen, ließe sich eine Analyse von Übersetzungsbeispielen in einem Korpus vornehmen. Ten Hacken (2018: 767) zufolge ist ein Korpus jedoch keine passende empirische Grundlage mithilfe derer allein eine Entscheidung in Bezug auf die Existenz eines Wortes getroffen werden kann. Grund dafür sind z. B. mögliche enthaltene Fehler. Die einzig passende empirische Grundlage ist die Kompetenz eines Sprechers. Da diese jedoch einem Individuum zugeordnet ist, kann sie nicht herangezogen werden, um Aussagen über die Sprache als solche zu treffen.
Eine denkbare Lösung für diese Problematik stellt die Kombination dreier Untersuchungsmethoden dar, die ich am Sprachenpaar Deutsch-Französisch illustriere. In einem ersten Schritt werden dabei in beiden Sprachen zwei zeitlich ähnlich weit auseinander liegende Ausgaben eines einsprachigen, allgemeinsprachlichen Wörterbuchs stichprobenartig miteinander verglichen. Auf diese Weise kann eine Aussage über bestehende Tendenzen in Bezug auf Neologismen in der Wörterbuchtradition beider Sprachen getroffen werden. In einem zweiten Schritt wird die Nutzung von Neologismen mithilfe domänenspezifischer Korpora überprüft. Dies gestattet eine Aussage über die Akzeptanz bzw. die Ablehnung von neuem Wortgut in einem bestimmten Fachbereich der untersuchten Sprachen. Abschließend wird eine Auswahl der durch diese beiden Methoden gefundenen Ausdrücke in einem Übersetzungsvergleich überprüft. Wie gestaltet sich die konkrete Verwendung von Neologismen in der Translation? Führen Übersetzer Neologismen mit vorangestellten Phrasen oder spezifischen Markierungen ein, nutzen sie diese kommentarlos oder lassen sich Vermeidungsstrategien erkennen?
Ziel der Präsentation ist es, den oben beschriebenen Lösungsvorschlag vorzustellen und anhand konkreter Beispiele zu überprüfen, inwieweit er sich eignet, um die einleitend gestellte Frage zum Verhalten der TranslatorInnen in Bezug auf Neologismen zu untersuchen.
Bibliografie
Ten Hacken, Pius (2018), „On the Interpretation of Etymologies in Dictionaries“, Proceedings of the XVIII EURALEX International Congress: Lexicography in Global Contexts, 763-773.
Sara Elisabeth Aufinger hat einen Bachelor- und Masterabschluss in Translationswissenschaft von der Universität Innsbruck. Seit 2017 arbeitet sie an ihrer Dissertation mit dem Titel Das Übersetzen und Dolmetschen von Neologismen im Deutschen und Französischen: ein Vergleich und ist als freiberufliche Dolmetscherin und Übersetzerin für Englisch, Französisch und Russisch tätig.
Kontakt: sara.aufinger@gmail.com
Pseudo-Originale und Rewritings – Unscharfe Grenzen als historischer Normalfall und methodologische Überlegungen zur Translationsgeschichte
Karin Almasy
In meinen Untersuchungen zur slowenischen Translationskultur in slowenischen Schullesebüchern im Zeitraum 1848-1918 konnte ich eine sehr große Bandbreite übersetzerischer Phänomene zwischen den Polen Originaltext und Übersetzung feststellen, wozu Selbstübersetzungen, kreative Nachdichtungen, Lokalisierungen, freie Adaptionen – kurzum: sehr vielfältige Formen von Rewriting (Lefevere 1992) – gehören. Ebenso findet man zwar ausführlich gekennzeichnete, mehrheitlich aber kaum, schlecht oder gar nicht markierte Übersetzungen, die Pym in Anlehnung an Tourys Begriff der Pseudotranslation als „pseudo-originals“ (Pym 1998: 60) bezeichnet und die – im Gegensatz zum mittlerweile recht gut belegten Phänomen Pseudotranslation – noch kaum untersucht wurden. Im geplanten Konferenzbeitrag möchte ich einige Formen von Rewriting und Pseudo-Originalen im historischen Setting vorstellen sowie Erklärungsversuche für diese spezifischen Phänomene anbieten.
In einem anschließenden zweiten Teil möchte ich methodologische Überlegungen zur Erforschung translationshistorischer Fragestellungen anstellen. Ausgehend von meiner eigenen Forschung möchte ich die Hypothese wagen, dass in historischen Settings verschwimmende Grenzen zwischen den binären Polen Übersetzung/Original eher die Regel als die Ausnahme waren. Basierend auf einer geschichtswissenschaftlich-methodischen Vorgehensweise bin ich deshalb der Ansicht, dass historische Ausprägungen von Translation weder anachronistisch über die Leisten heutiger Plagiats- bzw. Originalitätsvorstellungen geschlagen noch vorab theoretisch-hypothetisch modelliert werden sollten. In einem interdisziplinären Zugang sollte Translation zunächst in ihren jeweiligen in Raum und Zeit spezifischen Manifestationsarten erfasst und untersucht werden und erst in einem zweiten Schritt mithilfe passender theoretischer Modelle erklärt werden. Mit anderen Worten: Eine Deutung kann erst nach der Aufnahme bzw. dem Befund vorgenommen werden. Unerlässlich hierfür ist das Studium historischer Quellen zu den kulturellen, politischen, administrativen und sozioökonomischen Entstehungsumständen der jeweiligen Übersetzungen und den dabei involvierten AkteurInnen, d. h. ein klassisch-geschichtswissenschaftlicher (als auch translationssoziologischer) Zugang, dem entsprechend die Deutung nicht allein aus einem Text, sondern durch die konkreten Umstände seiner Entstehung vorgenommen werden sollte.
Zurückkehrend auf die die beiden zentralen theoretischen Begriffe Rewriting und Pseudo-Originale soll 1.) auf die nach wie vor große Brauchbarkeit des Rewriting-Begriffes in translationsgeschichtlichen Untersuchungen hingewiesen werden, da er es zulässt, die vielfältigen Ausprägungsformen im großen Graubereich zwischen Original und Übersetzung zu erfassen. 2.) sollen weitere Untersuchungen zu Pseudo-Originalen angeregt werden, ein Phänomen, das sich nicht nur in historischen Settings finden lässt, sondern auch große Bezüge zur Gegenwart aufweist.
Bibliografie
Lefevere, André, Translation, Rewriting, and the Manipulation of Literary Fame. Translation studies, London, New York: Routledge 1992.
Pym, Anthony, Method in Translation History, Manchester: St. Jerome 1998.
Karin Almasy ist Translationswissenschaftlerin, Historikerin und Übersetzerin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die slowenisch-deutschen Wechselbeziehungen, die slowenische Sprachentwicklung, Nationalisierungsprozesse, Translationsgeschichte und historische Postkarten. Aktuell ist sie an der Karl-Franzens-Universität Graz Lektorin im Fachbereich Slowenisch des Instituts für Translationswissenschaft sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen eines Drittmittelprojekts am Institut für Slawistik. Unlängst von ihr erschienen: Kanon und nationale Konsolidierung. Übersetzungen und ideologische Steuerung in slowenischen Schullesebüchern (1848–1918), Wien/Köln/Weimar 2018.
Kontakt: karin.almasy@uni-graz.at
Schriftdolmetschen in Österreich – Einblick in und Erkenntnisse aus dem laufenden Professionalisierungsprozess
Judith Platter
2011 wurde das Schriftdolmetschen in Österreich erstmals in einem berufsbegleitenden Lehrgang vermittelt; im Anschluss daran wurde diese bis dahin weitgehend „exotische“ translatorische Tätigkeit in die entsprechende berufsrelevante Gewerbeordnung aufgenommen. Nunmehr erfährt das Schriftdolmetschen in Österreich durch neue Ausbildungsangebote – einen Lehrgang am bfi Tirol in Kooperation mit dem Betroffenenverband Verein v-OHR-laut sowie eine erste universitär angebotene Lehrveranstaltung am ITAT Graz – einen Professionalisierungsschub. Hinzu kommt, dass sich das Repertoire der in den Ausbildungsangeboten vermittelten technischen Umsetzungsmöglichkeiten von der konventionellen Schriftdolmetschungstechnik auf die Spracherkennung erweitert und mittlerweile Auszubildende auch für ein breiteres Spektrum an Settings (Präsenz-, Online- und Semi-Präsenz) mit Co-Editing und dazu nutzbaren Plattformen geschult werden. Durch den sich zunehmend vergrößernden Kreis von SchriftdolmetscherInnen mit Fremdsprachenkenntnissen sind vermehrt auch Einsätze zu verzeichnen, in denen intra- bzw. interlingual agiert wird. Nebst diesen berufspraktischen und translationsdidaktischen Neuerungen ergeben sich durch Bestrebungen zur Gründung eines Berufsverbandes auch innerhalb der SchriftdolmetscherInnen-Gemeinschaft neue Perspektiven bzw. Aufgabenbereiche, etwa was die Kooperation mit anderen Berufsverbänden, Interessensvertretungen und AnsprechpartnerInnen auf politischer Ebene anbelangt.
Im Tagungsbeitrag wird demnach ein Überblick über die neuesten Entwicklungen in technologischer Hinsicht gegeben. Es wird darauf eingegangen, welche Bestrebungen zur akademischen Anbindung bis dato erfolgt sind und in nächster Zukunft möglich sind. Des Weiteren werden die sich abzeichnenden Auswirkungen auf die universitäre Translationsdidaktik – Stärkung des translatorischen Prozesses und des entsprechenden Berufsbewusstseins hinsichtlich intra- und interlingualer Spezialisierungen im Sinne von Schriftdolmetschen als „maßgeschneiderte Translation“ – beleuchtet. Nicht zuletzt wird auch auf den sich wachsenden RezipientInnenkreis in einer komparativen Gegenüberstellung zu RezipientInnen von Gebärdensprachdolmetschungen eingegangen bzw. wird erläutert, wie und weshalb sich aus translationsdidaktischer Sicht diese Gruppen nicht ausschließen, sondern ergänzen. Es soll ebenso argumentiert werden, mit welchen translatorischen Kompetenzen und Strategien ausgebildete SchriftdolmetscherInnen gegenüber der vermeintlichen Konkurrenz rein technologiebasierter Schriftdolmetschangebote in Form von Apps punkten können. Dabei kommt nicht zuletzt der immense Spannungsbereich von Mündlichkeit und Schriftlichkeit zur translationswissenschaftlichen Einordnung zur Sprache, der sich in den mannigfaltigen Widrigkeiten im Translationsprozess, aber auch in der Festlegung neuer Begrifflichkeiten für Translationsmethoden, entsprechende Qualitätsmodelle und Translate zeigt.
Bibliografie:
Bose, Ines/ Hirschfeld, Ursula/ Stock, Eberhard und Neuber, Baldur. 2013. Einführung in die Sprechwissenschaft: Phonetik, Rhetorik, Sprechkunst. Tübingen: Narr
Braun, Sabine. 2004. Kommunikation unter widrigen Umständen? Einsprachige und gedolmetschte Kommunikation der Videokonferenz. Tübingen: Gunter Narr
Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. 2015. Bundeseinheitliche Liste der freien Gewerbe. URL: http://www.bmwfw.gv.at/unternehmen/gewerbe/documents/bundeseinheitliche_liste_der_freien_gewerbe.pdf. [31.10.2018]
Eichmeyer, Daniela. 2018. Speech-to-text Interpreting: Barrier-free Access to Universities for the Hearing Impaired. Unveröffentlichter Konferenzbeitrag ZHAW: Winterthur
Gerzymisch-Arbogast, Heidrun. 2013. Gutachten zu der Bezeichnung ‚Schriftdolmetschen‘. URL: www.bsd-ev.org/fileadmin/gutachten_gerzymisch.pdf [31.10.2018]
Gile, Daniel. 1995. Basic Concepts and Models for Interpreter and Translator Traning. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins
Kade, Otto. 1968. Zufall und Gesetzmäßigkeit in der Übersetzung. Beihefte zur Zeitschrift Fremdsprachen. 1. Leipzig: VEB Verlag Enzyklopädie
Kalina, Sylvia. 1998. Strategische Prozesse beim Dolmetschen. Tübingen: Gunter Narr
Norberg, Ulf/ Stachl-Peier, Ursula/ Tiittula, Liisa. 2015. „Speech to text interpreting in Finland, Sweden and Austria.“ In: Translation & Interpreting 7 [3]: S. 36-49 – URL: transint.org/index.php/transint/article/viewFile/418/211 [31.10.2018]
Norberg, Ulf/ Stachl-Peier, Ursula. 2018. „Quality in speech-to-text interpreting – A study of condensation strategies. In: Zupan, Simon/ Nuč, Aleksandra (Hrsgb.). Interpreting Studies at the Crossroads of Disciplines. Berlin: Frank&Timme, S. 129–155
Nofftz, Birgit. 2014. Written interpreting in individual countries. URL: www.uniAsaarland.de/fileadmin/user_upload/page/atrc/Dokumente/Written_interpreting_in_individual_countries_Birgit_Nofftz_2014_.pdf [31.10.2018]
Platter, Judith. 2015. Translation im Spannungsbereich von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Schriftdolmetschen in Österreich. Eine textbasierte Analyse. Unveröffentlichte Dissertation Universität Wien
Tiittula, Liisa. 2006: „Schriftdolmetschen – Mündlichkeit im schriftlichen Gewand.“ In: A Man of Measure. Festschrift in Honour of Fred Karlsson, a special supplement to SKY Journal of Linguistics [19]: 481-488 – URL: www.linguistics.fi/julkaisut/SKY2006_1/1FK60.1.10.TIITTULA.pdf [31.10.2018]
Witzel, Jutta. 2018. „Schriftdolmetschen – ein sinnvoller und vielseitiger Beruf.“ In: Infoblatt 1/2018: 14-19 – URL: https://www.adue-nord.de/wp-content/uploads/2015/02/Infoblatt_1-2018-010318-web.pdf [31.10.2018]
Judith Platter studierte Dolmetschen und Übersetzen an der Universität Wien. 2016 dissertierte sie zum Schriftdolmetschen in Österreich im Studienzweig Transkulturelle Kommunikation. Sie lehrt am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien sowie am Institut für theoretische und angewandte Translationswissenschaft der Universität Graz. Seit 2002 bietet sie über ihr Sprachdienstleistungsunternehmen professionelle Sprachdienstleistungen, unter anderem auch Schriftdolmetschungen. Sie forscht im Bereich der Translationsdidaktik und der curricularen Gestaltung entsprechender Ausbildungsangebote.
Kontakt: judith.platter@univie.ac.at
Plattformen und Auftragsmanagement: Ein Vergleich der Einstellungen von professionellen ÜbersetzerInnen und Studierenden
Barbara Heinisch und Katia Iacono
Management von Übersetzungsaufträgen sowie der Einsatz von Technologie spielen eine bedeutende Rolle im Alltag von professionellen ÜbersetzerInnen. Während dem Auftragsmanagement und dem Einsatz von Technologie wie computergestützten Übersetzungssystemen große Bedeutung in der translationswissenschaftlichen Literatur beigemessen wird, sind Übersetzungsplattformen ein relativ wenig erforschtes Gebiet.
Untersuchungsgegenstand der Studie sind die Unterschiede im Translationsmanagement bzw. Auftragsmanagement zwischen professionellen ÜbersetzerInnen und Studierenden, sowie deren Einstellungen gegenüber Plattformen, die bestimmte Auftragsmanagementaufgaben wie die Erstellung von Kostenvoranschlägen oder Rechnungen automatisieren und eine neue Form des Translationsmanagements darstellen. In der ersten Phase der Studie wurden qualitative halbstrukturierte Experteninterviews mit in Wien und Graz freiberuflich tätigen ÜbersetzerInnen geführt. Darauf aufbauend wurden Studierende der Translationswissenschaft in Wien mit Schwerpunkt Fachübersetzen in einer quantitativen Erhebung schriftlich befragt. Die Studie zeigt Unterschiede im Auftragsmanagement und in den Einstellungen zu Plattformen zwischen den zwei untersuchten Gruppen. Je stärker sich die untersuchten ÜbersetzerInnen auf FirmenkundInnen fokussieren und sich selbst als UnternehmerInnen betrachten, desto umfassender ist das Auftragsmanagement aufgrund der steigenden Auftragslage. Erfahrene ÜbersetzerInnen verbinden mit Übersetzungsplattformen die Gefahr von Preisdumping, Datenschutzverletzungen und Verlust des direkten Kundenkontakts, während BerufsanfängerInnen die Automatisierung der Kundenakquise und des Auftragsmanagements sowie die erleichterte Sichtbarkeit auf dem Übersetzungsmarkt schätzen. Trotz der geografischen Beschränkung der Studie auf Österreich und der nicht repräsentativen sowie ungleichen Stichproben bietet die Studie erste Einblicke in die praktische Umsetzung der Businesskompetenz von TranslatorInnen und deutet auf die Notwendigkeit hin, diese Kompetenz in der universitären Ausbildung verstärkt zu berücksichtigen.
Barbara Heinisch ist Universitätsassistentin am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit der Usability der Terminologiedatenbank der Universität Wien. Ihre Forschungsinteressen sind Lokalisierung, Technische Dokumentation, Usability, Barrierefreiheit, Terminologie, Fachübersetzung, maschinelle Übersetzung und Citizen Science. Außerdem ist sie Mitentwicklerin des Sprachressourcenportals Österreichs und arbeitet an diversen Forschungsprojekten wie eTransFair oder dem Citizen Science-Projekt „In aller Munde und aller Köpfe – Deutsch in Österreich“.
Kontakt: barbara.heinisch@univie.ac.at
Katia Iacono ist Lektorin am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien und selbstständige Dolmetscherin und Übersetzerin. In ihrer Dissertation setzte sie sich mit dem Dolmetschen im Medizintourismus in Deutschland und Österreich unter Berücksichtigung der Erwartungen und Anforderungen an die DolmetscherInnen auseinander. Ihre Forschungsinteressen sind Dolmetschen in der medizinischen Kommunikation, Interaktionen beim Dolmetschen sowie Translationsmanagement.
Kontakt: katia.iacono@univie.ac.at
Die neuronale didaktische Herausforderung oder Wie reagiert die Ausbildung auf die aktuellen Fortschritte der MÜ?
Peter Sandrini
Die Entwicklung der maschinellen Übersetzung hat durch die Anwendung Künstlicher Intelligenz und Neuronaler Netze aufbauend auf zwei Jahrzehnten Erfahrung mit statistischen Methoden einen weiteren, vielleicht entscheidenden Fortschritt gemacht. Auf der Basis eines Vergleichs der Übersetzungen, die von Studierenden des Masters Translationswissenschaft durchgeführt wurden, mit Übersetzungen von neueren neuronalen Maschinenübersetzungssystemen werden in dieser Präsentation grundsätzliche Überlegungen zu Ziel und Zukunft der Übersetzerausbildung angestellt. Die Anwendung bestehender Qualitätsmodelle und Fehlerkategorien erlaubt einen Vergleich der Stärken und Schwächen von humanen und maschinellen Übersetzungen. Darauf aufbauend können die Schwerpunkte eines an diese neuen Entwicklungen angepassten Curriculums identifiziert werden, die u.a. auf die notwendige Differenzierung von Übersetzen-Können und Übersetzen-Planen bzw. von individueller und institutioneller Translationskompetenz zurückgehen. Während die traditionelle Ausbildung ausschließlich den Ausbau der individuellen Translationskompetenz verfolgte, wird in dieser Präsentation das Vermitteln des Übersetzen-Planen-Könnens postuliert.
Dabei spielt die Definition der institutionellen Translationskompetenz und die dafür nötigen didaktischen Voraussetzungen eine entscheidende Rolle, damit die Auszubildenden die Fähigkeit erlangen, zur kollektiven Translationskompetenz einer Institution einen Beitrag zu leisten.
Peter Sandrini ist außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Translationswissenschaft der Universität Innsbruck mit den Forschungsschwerpunkten Fachübersetzen im Recht, Translationspolitik, Translationstechnologie und Terminologie. Zu diesen Inhalten hat er zahlreiche Lehrveranstaltungen, Kurse und Workshops abgehalten. (http://www.petersandrini.net)
Kontakt: peter.sandrini@uibk.ac.at
Dolmetschen als Gegenstand der universitären Weiterbildung. Individuelle Perspektiven und institutionelle Implikationen am Beispiel des Universitätslehrganges „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ an der Universität Wien
Ana-Maria Bodo
Im Europa der Mobilität und der Globalisierung herrscht in bestimmten Sparten und Sprachen ein notorischer Mangel an qualifizierten Dolmetschenden. Darauf haben in letzter Zeit auch Universitäten mit unterschiedlichen Aus- und Weiterbildungsangeboten reagiert. In der allgemeinen (universitären) Weiterbildungsforschung kann eine rege Aktivität verzeichnet werden, Studien zu universitären Weiterbildungsmaßnahmen in konkreten Fachrichtungen sind aber kaum vorhanden. So befasst sich die Dolmetschwissenschaft eingehend mit Regelstudien, die universitäre Weiterbildung fand aber bisher allenfalls am Rande Erwähnung. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass sich sowohl Rahmenbedingungen als auch Gruppenzusammensetzung der universitären Weiterbildung stark von Regelstudien unterscheiden. Dieses Thema wird in einem an der Schnittstelle zwischen der Weiterbildungsforschung und der Dolmetschwissenschaft bzw. der Dolmetschdidaktik angesiedelten Dissertationsvorhaben aufgegriffen. Das Forschungsziel liegt in der Auseinandersetzung mit dem Dolmetschen als Gegenstand der universitären Weiterbildung am Beispiel des Universitätslehrganges „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ (kurz ULG), der am Postgraduate Center, dem Kompetenzzentrum für postgraduale Weiterbildung der Universität Wien, angeboten wird. Die Untersuchung zielt einerseits darauf ab, die Erfahrungen und Perspektiven der AbsolventInnen und Lehrenden einer universitären Weiterbildung im Bereich Behörden- und Gerichtsdolmetschen exemplarisch zu beleuchten. Andererseits werden VertreterInnen der Universität, einschlägiger Berufsverbände und ausgewählter Institutionen mit Dolmetschbedarf berücksichtigt. Hiermit soll eruiert werden, inwiefern sich eine derartige Weiterbildung auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene aus Sicht relevanter AkteurInnen auswirkt. Des Weiteren wird der Frage nach den Beweggründen für die Teilnahme an einer solchen Maßnahme sowie nach damit verbundenen Anforderungen und Erwartungen der Teilnehmenden und Lehrenden nachgegangen. Es sollen auch die Herausforderungen und Chancen thematisiert werden, die sich im untersuchten Interaktionsfeld ergeben, um daraus mögliche Implikationen für die Dolmetschdidaktik abzuleiten. Schließlich soll der Zusammenhang zwischen der beruflichen Situation nach Abschluss und der absolvierten Weiterbildung Berücksichtigung finden.
Der Vortrag gibt einen kurzen Überblick über Inhalte, Ziele und Methoden des Forschungsvorhabens und geht auf bestehende (universitäre) Weiterbildungsangebote mit einem Fokus auf dem untersuchten ULG ein. Dieser wird derzeit in den Sprachen Arabisch, Dari/Farsi und Türkisch angeboten, weitere Sprachen sind bedarfsabhängig angedacht.
Ana-Maria Bodo hat Konferenzdolmetschen an der Universität Wien studiert. Sie unterrichtet am Zentrum für Translationswissenschaft und ist im Programm-Management des Universitätslehrganges „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ (Akademische/r Behördendolmetscher/in und Master of Arts) am Postgraduate Center tätig. Im Rahmen ihrer Dissertation setzt sie sich mit dem Dolmetschen als Gegenstand der universitären Weiterbildung auseinander.
Kontakt: ana-maria.bodo@univie.ac.at
Translationsdidaktische Herausforderungen bei der Erstellung einer Online-Plattform für Methoden in der Fachübersetzerausbildung
Barbara Heinisch
Translation sowie das Berufsbild von TranslatorInnen sind einem ständigen Wandel unterworfen. Demnach wird auch von universitären Curricula im Bereich Fachübersetzen gefordert, dass sie innovativ sind und die Anforderungen des Marktes widerspiegeln, um AbsolventInnen auf künftige translatorische oder verwandte Tätigkeiten vorzubereiten. Während Translationsdidaktik wissenschaftlich diskutiert wird, fehlt eine zentrale Plattform zum Austausch von didaktischen Methoden unter Lehrenden im Bereich Fachübersetzen.
Das Projekt eTransFair (How to Achieve Innovative, Inclusive and Fit-for-Market Specialised Translator Training? - A Transferable Model for Training Institutions) widmet sich daher der Anpassung der Fachübersetzerausbildung an aktuelle Marktanforderungen. Im Rahmen des Projekts werden mehrere Ansätze zur innovativen, inklusiven und marktfähigen Fachübersetzerausbildung und zum Austausch von Unterrichtsmaterialien, sowie Lehr- und Beurteilungsmethoden erarbeitet.
Dazu wurden fachspezifische und übertragbare Kompetenzen in einem Kompetenzprofil für FachübersetzerInnen definiert. Darauf aufbauend wurden ein Ausbildungsmodell sowie offene Bildungsressourcen, sogenannte e-Module für die Ausbildung von FachübersetzerInnen erarbeitet. Diese e-Learning-Module decken sowohl traditionelle Inhalte der Übersetzungsausbildung wie Terminologie, Projektmanagement, Qualitätsmanagement, Übersetzungstechnologie als auch neuere Formen der translationsbezogenen Tätigkeiten wie Revision, einschließlich Post-Editing von maschinellen Übersetzungen, sowie Lokalisierung, ab. Außerdem vermitteln diese Online-Module Grundlagen des Unternehmertums für TranslatorInnen, da dieser Aspekt in universitären Curricula bisher teilweise unberücksichtigt blieb.
Darüber hinaus wird es Lehrenden ermöglicht, ihre didaktischen Konzepte und translationsrelevanten Unterrichtsmaterialien über das Methodenportal von eTransFair auszutauschen. Durch die Entwicklung und Bereitstellung von innovativen und vielfältigen Lehr- und Lernmethoden in Form offener Bildungsressourcen soll auch die Inklusion von benachteiligten Menschen in der Fachübersetzerausbildung gefördert werden.
Die Veröffentlichung und der Austausch dieser Ergebnisse und Ansätze ist das Ziel der eTransFair-Plattform zur Fachübersetzerausbildung. Die durch Translationsdidaktik geleitete Erstellung dieser Online-Plattform brachte Herausforderungen mit sich, die in erster Linie die Kombination von traditionellen und innovativen didaktischen Ansätzen betrafen, um eine weitestgehend marktfähige und inklusive Ausbildung von FachübersetzerInnen zu ermöglichen.
Barbara Heinisch ist Universitätsassistentin am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit der Usability der Terminologiedatenbank der Universität Wien. Ihre Forschungsinteressen sind Lokalisierung, Technische Dokumentation, Usability, Barrierefreiheit, Terminologie, Fachübersetzung, maschinelle Übersetzung und Citizen Science. Außerdem ist sie Mitentwicklerin des Sprachressourcenportals Österreichs und arbeitet an diversen Forschungsprojekten wie eTransFair oder dem Citizen Science-Projekt „In aller Munde und aller Köpfe – Deutsch in Österreich“.
Kontakt: barbara.heinisch@univie.ac.at
transkunst: Berufsfelder der transkulturellen Kommunikation
Michaela Kuklová
Im Beitrag werde ich das didaktische Konzept eines projektbasierten und problemorientierten Lehrens und Lernens anhand des transkulturell und translatorisch ausgerichteten Projekts transkunst behandeln.
Das Projekt findet im Rahmen des Tschechischlehrgangs am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien zum dritten Mal statt. Die als Einzel- oder Gruppenarbeit entworfenen Aufgaben, Teilprojekte, Problemstellungen und Forschungsfragen wurden für 4 Lehrveranstaltungen des Bachelor- und des Masterstudiums (Textkompetenz: schriftlich und mündlich; Übersetzen und Simultandolmetschen) entworfen, die zusammen einen komplexen Kommunikationsrahmen bilden. Am Projekt nehmen Erasmus-Studierende und in der Abschlussphase auch Studierende des Dolmetschlehrgangs der Ostrauer Universität (durch Aktion Tschechische Republik – Österreich gefördert) teil.
Anhand realer Aufträge setzen sich die Studierenden der beiden Studienrichtungen "Transkulturelle Kommunikation" und "Translation" mit für sie relevanten Berufsfeldern auseinander und lernen ihre künftigen Tätigkeitsbereiche kennen. Zentrales Anliegen bei der Aufgabestellung war es daher, konkrete Anbindungen an Institutionen, Kultureinrichtungen und Unternehmen zu schaffen. Der Wert des Projekts liegt auch in den realen Outputs – eine öffentlich einsehbare Website mit Texten und Übersetzungen der Studierenden sowie eine öffentliche, simultan ins Deutsche gedolmetschte Präsentation. Das Projekt bietet Studierenden Gelegenheit zur Anwendung und Vertiefung ihrer transkulturellen, translatorischen und digitalen Kompetenzen. Gefördert und gefordert werden ebenfalls metafachliche Kompetenzen wie Organisationsfähigkeit, selbstständiges und verantwortungsbewusstes Handeln und das Kommunizieren im Team sowie gegenüber externen PartnerInnen.
Das Herzstück des Projekts bildet die Textkompetenz: schriftlich, in der es nicht nur bei einer kompetenten und professionellen Textproduktion per se bleibt, sondern sie intensiv in konkrete Prozesse der transkulturellen Kommunikation einbezogen wird. Das Schreiben wird zugleich als reflexive Praxis betrachtet. Mit ihren Texten zeigen die Studierenden, wie sich ihr Studium, ihre individuellen Schwerpunkte und ihre beruflichen Interessen gegenseitig durchdringen und bereichern. Die persönliche intrinsische Motivation wird durch den individuellen Zugang zu unterschiedlichen Themen der transkulturellen Kommunikation gefördert. Das sichert mehr als nur den dauerhaften Lernerfolg – die Studierenden reflektieren nicht nur ihr Studium, sondern auch ihre ganz persönlichen Lebenserfahrungen und damit verbundene Kommunikationsstrategien. Durch das fest eingeplante Peer-Feedback werden sich die TeilnehmerInnen der Wirkung ihrer Texte bewusst und lernen, konstruktive Kritik nicht nur anzubringen, sondern auch selbst im kreativen Arbeitsprozess zu berücksichtigen.
Projektseite: transkunst.univie.ac.at
Michaela Kuklová ist seit 2004 Universitätslektorin am Institut für Translationswissenschaft an der Universität Wien und war 2004–2010 auch Institut für Slawistik an der Universität Wien tätig. Sie ist seit 2016 wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der ÖAW. Ihre Monographie Peter Lotar (1910–1986). Kulturelle Praxis und autobiographisches Schreiben erscheint im September 2019 im Böhlau-Verlag.
Kontakt: michaela.kuklova@univie.ac.at
Barrierefreie Sprache als Gegenstand intralingualer, translationsorientierter Sprachdidaktik
Eva Seidl und Elisabeth Janisch
Allenthalben ist derzeit die Rede von „Leichter Sprache“ und „Barrierefreier Kommunikation“. Dabei prägt das Bewusstsein für die Relevanz der AdressatInnenorientierung und der Textverständlichkeit nicht länger nur den fachwissenschaftlichen, sondern vermehrt auch den populärwissenschaftlichen Diskurs, was zahlreiche Ratgeberbroschüren zu „Leichter Sprache“ mit oft aufklärerischem, dezidiert kritischem Duktus beweisen.
Aus sprach- und übersetzungswissenschaftlicher Perspektive verstehen Maaß et al. (2014) das Übertragen von Ausgangstexten in verständlichere Sprache als translatorischen Prozess sui generis und konstatieren dringenden Bedarf an empirisch abgesicherten Befunden zu dieser intralingualen Übersetzungstätigkeit. Auf häufige Kritik stößt in der Diskussion der einseitige Blick auf die Wort- und Satzebene, wo doch professionelles Übersetzen auf der Textebene stattfindet (Helmle 2017; Bock et al. 2017; Bredel & Maaß 2016).
Ausgehend von diesem vermehrten Bedarf an intralingualer Sprachveränderungskompetenz und der Herausforderung, „schwierige Sachverhalte mit extrem reduzierten sprachlichen Mitteln zu vertexten“ (Maaß 2014:152), präsentieren wir methodisch-didaktische Zugänge, die in zwei Lehrveranstaltungen angewendet wurden: 1) Deutsch: Sprach-, Text- und Kulturkompetenz, 2) Deutsch: Intralinguale Textarbeit. Erstere fokussiert die Zielgruppe Deutsch als Fremdsprache-Studierende, zweitere bietet Sprach- und Textarbeit für Studierende mit Deutsch als Fremdsprache (DaF), gemeinsam mit Studierenden, für die Deutsch die Erst- bzw. Bildungssprache darstellt.
Getragen von der Überzeugung, dass translationsorienter universitärer DaF-Unterricht im Rahmen des Studiums der Transkulturellen Kommunikation zahlreiche Unterschiede zu heterogener ausgerichtetem DaF-Unterricht an universitären Sprachzentren aufweisen sollte, stellen wir praktizierte Lernszenarien mit folgenden inhaltlichen Foci vor: a) die Sensibilisierung für Fachsprachen versus Normalsprache und b) das Vermögen, Sprache adressaten- und genregerechter zu gestalten. Dabei nehmen wir Bezug auf die curricularen Anforderungen an die beiden Lehrveranstaltungen. Laut Curriculum sollen die Studierenden nach Absolvierung der Lehrveranstaltung Deutsch: Sprach-, Text- und Kulturkompetenz in der Lage sein, kohärente schriftliche und mündliche Texte zu produzieren, die den Anforderungen unterschiedlicher Kommunikationssituationen gerecht werden. Gegenstand der Lehrveranstaltung Deutsch: Intralinguale Textarbeit sind im WS Texte aus den Bereichen Recht und Verwaltung sowie Wissenschaft (im SoSe: Wirtschaft und Kunst). Die Studierenden sollen dabei Ausgangstexte unter adressaten- und textsortenspezifischen Aspekten analysieren, adaptieren sowie zur Erhöhung ihrer Verständlichkeit optimieren.
Der Beitrag zeigt, durch welche Textproduktionsaufgaben wir diesen Anforderungen gerecht zu werden versuchten und bietet eine kritische Reflexion des innovatorischen Potenzials von Leichte-Sprache-Zugängen für die translationsorientierte Sprachdidaktik.
Bibliografie
Bock, B./Fix, U./Lange, D. (Hg.) (2017). „Leichte Sprache“ im Spiegel theoretischer und angewandter Forschung. Berlin: Frank & Timme.
Bredel, U./Maaß, C. (2016). Ratgeber Leichte Sprache. Theoretische Grundlagen. Orientierung für die Praxis. Berlin: Bibliographisches Institut GmbH (Duden).
Helmle, K.-S. (2017). Leichte Sprache. Ein Überblick für Übersetzer. Berlin: BDÜ.
Maaß, C./Rink, I./Zehrer, C. (2014). „Leichte Sprache in der Sprach- und Übersetzungswissenschaft.“ Jekat, S. et al. (Hg.): Sprache barrierefrei gestalten. Perspektiven aus der Angewandten Linguistik. Berlin: Frank & Timme, 53–86.
Maaß, C. (2015). Leichte Sprache. Das Regelbuch. Münster: LIT-Verlag.
Eva Seidl unterrichtet Deutsch als Mutter- und als Fremdsprache am ITAT und am treffpunkt sprachen, Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. In der Lehrendenfortbildung ist sie am Universitätslehrgang DaF/DaZ an der Universität Graz sowie bei der Modulreihe ‚Sprachenlernen mit Erwachsenen‘ am treffpunkt sprachen tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Mobilitäts- und Austauschforschung, hochschulische Transitions- und Adaptionsprozesse sowie translationsorientierte Sprachdidaktik.
Kontakt: e.seidl@uni-graz.at
Elisabeth Janisch unterrichtet Deutsch als Fremdsprache am ITAT und an der FH Joanneum sowie Deutsch als Zweitsprache an der Caritas Akademie, weshalb sie sich mit unterschiedlichen Zugängen zur Sprachdidaktik beschäftigt. Darüber hinaus ist sie in der Lehrendenfortbildung tätig, und zwar am Universitätslehrgang DaF/DaZ an der Universität Graz und im Lehrgang für Deutsch als Zweitsprache und Alphabetisierung an der Caritas Akademie, den sie auch leitet.
Kontakt: elisabeth.janisch@uni-graz.at
Warum Termini? Warum Definitionen? Kommunikative und translatorische Überlegungen
Pius ten Hacken
In der klassischen Terminologielehre Eugen Wüsters wurde angenommen, dass Termini aus der onomasiologischen Perspektive erfasst und genau voneinander abgegrenzt werden müssen. Aus der kognitiven Sicht sind beide Bedingungen eher unnatürlich. Wörter haben eine Bedeutung, die eine Prototypenstruktur aufweist. Die Erfassung im mentalen Lexikon wird von den kommunikativen Bedürfnissen gesteuert. Es ist also legitim zu fragen, warum Termini anders behandelt werden sollten als (andere) Wörter.
Es gibt einerseits Termini, für die eine genaue Abgrenzung der Bedeutung notwendig ist (Termini im engeren Sinne, TieS), andererseits Termini, deren Bedeutung eine Prototypenstruktur aufweist (Fachwörter). Der Bedarf, für TieS eine genaue Abgrenzung der Bedeutung zu bestimmen, ist primär in der Fachkommunikation begründet. Nur wenn eine genaue Abgrenzung kommunikativ erforderlich ist, hat es einen Nutzen, eine solche Definition festzulegen, und sind die Betroffenen prinzipiell bereit, einer solchen Definition zu folgen.
Für Fachwörter besteht der Bedarf, sie systematisch zu erfassen, vor allem in Kontexten des Wissenserwerbs. Neben der fachlichen Ausbildung ist dabei auch die Translation wichtig. Translationskontexte sind speziell, weil nicht die genaue inhaltliche Bedeutung, sondern die Form eine zentrale Position einnimmt. ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen wollen nicht primär das Fach kennenlernen, sondern die sprachliche Darstellung genügend verstehen, um sie in einer anderen Sprache wiederzugeben. Das bedingt auch eine andere Funktion der Definitionen.
In der Translationsausbildung ist die Entwicklung eines allgemeinen terminologischen Wissens deshalb unerlässlich. Im Gegensatz zur einsprachigen kommunikativen Benutzung von Termini, bei der für die Beteiligten das Fachwissen im Zentrum steht, muss in der Translation aus mehreren Domänen die Terminologie richtig wiedergegeben werden. Die Erkennung von Termini im Ausgangstext und die Beurteilung der Qualität terminologischer Wissensquellen sind dabei die Hauptaufgaben.
Pius ten Hacken ist seit 2013 Professor für Translationswissenschaft mit den Schwerpunkten Terminologie und Englisch an der Universität Innsbruck. Vorher hatte er Stellen in Utrecht, Basel und Swansea. Seine Forschungsschwerpunkte sind Wortbildung, Terminologie, Lexikografie und philosophische Fragen der Sprach- und Translationswissenschaft. Er ist der Autor von Chomskyan Linguistics and its Competitors (Equinox, 2007) und der Herausgeber von The Semantics of Compounding (Cambridge University Press, 2016).
Kontakt: pius.ten-hacken@uibk.ac.at
Neue Formen der Translation im Spiegel ihrer Terminologie – begriffliche und benennungsbezogene Aspekte
Gernot Hebenstreit
Mit der rasanten Entwicklung des sogenannten „Web 2.0“ sind in den vergangenen Jahren neue Formen translatorischen Handelns entstanden, an denen sich die sogenannten „user“ – also Nutzerinnen und Nutzer dieser Technologien – an Translation beteiligen, im weitesten Sinn des Wortes an translatorischem Handeln teilhaben. Das Spektrum reicht von Translation im Kontext von Fan-Kulturen, wie dem Untertiteln von Fernsehserien und Spielfilmen, der Lokalisierung von Videospielen oder der Übersetzung von Comics zu plattform-basierten Übersetzen von SMS-Nachrichten zur Unterstützung von Rettungs- und Hilfsaktionen nach Naturkatastrophen, von der Bewertung maschinell erzeugter Translate bis hin zur Lokalisierung eines ganzen Social-Media-Dienstes. Diese Entwicklungen spiegeln sich in der Terminologie zu diesen Formen translatorischer Praxis wieder. Neue Formen von Translation lassen neue Bezeichnungen entstehen, etablierte Begriffe ändern sich im Inhalt. Während Termini für sehr spezifische Typen von Translation sich relativ schnell etabliert haben (z.B. das wahrscheinlich mittlerweile allgemein bekannte „fansubbing“ oder die wahrscheinlich weniger bekannten „romhacking“ und „scanlation“), stehen auf einer etwas allgemeineren Ebene mehrere Termini im Raum, für die nicht so klar ist, ob und inwiefern sie sich begrifflich voneinander unterscheiden: „crowdsourced translation“, „user generated translation“, aber auch „social translation“, „community translation“, und „volunteer translation“ sind Termini, die im translationswissenschaftlichen Diskurs über translatorisches Handeln im Kontext des Web 2.0 verwendet werden und zum Teil zueinander in Konkurrenz stehen (vgl. Jiménez Crespo 2017). Vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen über eine geeignete Terminologie ist das Ziel dieses Vortrags eine terminologiewissenschaftliche Analyse, die eine begründete Entscheidung ermöglichen soll. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage nach den begrifflichen Unterschieden, die den Bezeichnungen zugrunde liegen, sowie nach den Strategien der Benennungsbildung.
Bibliografie
Jiménez Crespo, Miguel A. (2017) Crowdsourcing and Online Collaborative Translations: Expanding the Limits of Translation Studies. Amsterdam: John Benjamins (Benjamins Translation Library 131).
Gernot Hebenstreit hat im Fach Translationswissenschaft promoviert und arbeitet als (Senior) Scientist am Institut für theoretische und Angewandte Translationswissenschaft Graz. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Bereiche Übersetzungstheorie, Terminologiemanagement sowie Informationstechnologien in der Translation. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Translationstheorie, Translationsethik, multimodale Translation, Terminologielehre und terminologische Grundlagennormung (Gernot Hebenstreit ist Mitglied der einschlägigen Normungskomitees des österreichischen Normungsinstituts ASI und der ISO).
Kontakt: gernot.hebenstreit@uni-graz.at